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Buch des Monats


Hier stellen wir Ihnen "Das Buch des Monats" vor. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie orientiert sich auch nicht an den gängigen Publikationen über die aktuelle literarische Szene, sondern spiegelt einzig und allein die subjektive Meinung und das Literaturverständnis der Redaktion wider.

Wir werden uns zwar immer alle erdenkliche Mühe bei unserer Auswahl geben. Gleichwohl können wir nicht ausschließen, daß unser ausgesuchtes Buch des Monats nicht immer ungeteilten Beifall findet. Doch dieses Risiko wollen wir in Kauf nehmen.




Das Buch des Monats Mai 2014
Titel: Die Gärten der Finzi-Contini
Autor(en): Giorgio Bassani
Verlag: Wagenbach (309 Seiten / € 13,90)
ISBN-Nr.: 3803124043

Ein in Deutschland ziemlich unbekanntes Buch und dennoch ein Buch der Weltliteratur. Giorgio Bassani veröffentlichte es 1962, und es sollte sein erfolgreichstes Buch, sein bekanntestes Buch werden. 1963 erschien es zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt.

Wie kommt es, daß wir uns zunehmend alten Romanen und Erzählungen zuwenden, deren Autoren längst verstorben sind und von denen die Jüngeren kaum etwas wissen, geschweige denn, daß sie deren Bücher lasen? Es gibt – zugegeben: es sind nur wenige – Disziplinen und Fertigkeiten, in denen sich die Welt im Laufe der Jahre nicht weiterentwickelte, mitunter sogar Rückschläge zu verzeichnen hat. Vielleicht widerfuhr der Literatur, alles in allem, jene im Vergleich zur Gegenwart defizitäre Entwicklung.

Giorgio Bassani (1916 – 2000) erzählt von einer großen unerfüllten Liebe, die in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Italien ihren Anfang findet. Der Faschismus bricht sich Bahn, und von Beginn an lastet er albtraumhaft über den Protagonisten, die gutsituierten jüdischen Familien angehören, und bestimmt mehr und mehr unheilvoll ihren Alltag. Es geht um Micól, eigensinnige, extravagante Tochter vornehmer Eltern, und (als Ich-Erzähler) einen Jungen, ebenfalls jüdischer Herkunft, über den der Leser nur sehr wenig – nicht einmal seinen Namen – erfährt. Er wird sich vergeblich um das Mädchen bemühen, es am Ende ganz aus den Augen verlieren, denn im Herbst 1943 wird es mit seiner gesamten Familie in Zusammenarbeit italienischer und deutscher Faschisten deportiert, vermutlich nach Auschwitz. Ihr aller Schicksal bleibt ungewiß, doch was mit ihnen geschah, läßt sich unschwer vorstellen.

Es gilt inzwischen als sicher, daß Giorgio Bassani, selbst Kind jüdischer Eltern, seine persönlichen Erfahrungen mit und zu jener Zeit in diesen Roman einbrachte, ja, daß er wohl den Jungen verkörpert, im wesentlichen jedenfalls, der bei den Finzi-Continis so häufig zu Gast war und dessen Liebe zu Micóle nicht in Erfüllung ging.

Ein bemerkenswertes Buch, ein bewegender Stoff, eine feine, immer leise Sprache, selbst dann noch, wenn sie von Tragik und Schrecklichem berichten muß. Und immer wieder überfällt den Leser der Gedanke, daß die romanhafte Erzählung, die er in den Händen hält, auf tatsächlichen Geschehnissen beruht.


Hinweis:
Vorherige "Bücher des Monats" können Sie weiterhin in unserem Archiv einsehen.




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