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Buch des Monats


Hier stellen wir Ihnen "Das Buch des Monats" vor. Die Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sie orientiert sich auch nicht an den gängigen Publikationen über die aktuelle literarische Szene, sondern spiegelt einzig und allein die subjektive Meinung und das Literaturverständnis der Redaktion wider.

Wir werden uns zwar immer alle erdenkliche Mühe bei unserer Auswahl geben. Gleichwohl können wir nicht ausschließen, daß unser ausgesuchtes Buch des Monats nicht immer ungeteilten Beifall findet. Doch dieses Risiko wollen wir in Kauf nehmen.




Das Buch des Monats Oktober 2015
Titel: Das Haus der vergessenen Bücher
Autor(en): Christopher Morley
Verlag: Atlantik-Verlag (254 Seiten / € 9,99)
ISBN-Nr.: 3-455-060012-4

Ein altes Buch (1919 erschienen unter dem Originaltitel „The Haunted Bookshop“), der Autor Christopher Morley natürlich nicht mehr unter den Lebenden weilend (1890 – 1957). Doch es muß Ursachen geben, warum gerade dieses Buch 2014 erneut aufgelegt wurde, noch dazu – zum ersten Mal – in deutscher Sprache. Warum nun die späte Eroberung des deutschen Buchmarktes? Die Gründe liegen auf der Hand: Ein richtig schöner Stoff, mehr Schmöker im Vergleich zu den Unmengen der sendungsbeseelt und wichtigtuerisch daherkommenden neuzeitlichen Bücher, gleichwohl überaus gefällig geschrieben, luftig, leicht und ungemein gekonnt. Schauplatz ist ein Antiquariat der ganz besonderen Art, der Antiquar nicht minder sonderlich als seine Behausung. Und um was geht es? Um Bücher, natürlich, um alte bis sehr alte, wie könnte es auch anders sein. Dazu noch eine unaufdringliche Liebesgeschichte zwischen Zweien, wie sie – zumindest anfänglich – kaum unterschiedlicher sein könnten. Und über allem thront zudem ein Kriminalfall, eher ungewöhnlich für das abgedeckte Genre, deshalb auch nicht blutrünstig, ohne Käuzchenrufe und knirschende Kieswege und dergleichen mehr.

Die Beschreibung des Buchhändlers und seiner sonderbaren Geschäftsgepflogenheiten gleich zu Beginn erweckt alsbald große Neugier darauf, wie es wohl weitergehen mag inmitten der vom Tabaksdunst vernebelten Bücherberge samt der in ihnen Stöbernden, die augenscheinlich unbehelligt kommen und gehen, wann es ihnen beliebt.

Hier das verheißungsvolle Entrée:

„Wenn es Sie einmal nach Brooklyn verschlägt, einen Ort, der prachtvolle Sonnenuntergänge und den erhebenden Anblick von Kinderwagen bietet, die von Ehemännern geschoben werden, hoffe ich um Ihretwillen, daß der Zufall Sie auch in jene ruhige Nebenstraße führt, in der sich eine höchst bemerkenswerte Buchhandlung befindet.

Diese Buchhandlung, die ihre Geschäfte unter dem ungewöhnlichen Namen >Parnassus< betreibt, ist in einem der gemütlichen Stadthäuser untergebracht, die seit Generationen die Wonne aller Klempner und Kakerlaken sind. Der Besitzer hat sich sehr bemüht, das Haus so umzubauen, daß es für sein Geschäft, den Handel mit gebrauchten Büchern, den geeigneten Rahmen bietet. Es gibt auf der Welt kein Antiquariat, das größeren Respekt verdient hätte.

An einem kalten Novemberabend, der Regenschauer über den Gehsteig jagte, schritt gegen sechs ein junger Mann ein wenig unsicher die Gissing Street entlang. Hin und wieder hielt er inne und sah in ein Schaufenster, als wüßte er nicht recht, wohin. Vor der einladenden, blitzblanken Fassade einer französischen Rotisserie blieb er stehen, um die in den Querbalken eingebrannte Zahl mit einem Notizzettel zu vergleichen, den er in der Hand hatte. Dann setzte er seinen Weg noch ein paar Minuten fort, bis er die gesuchte Adresse gefunden hatte. Über dem Eingang fiel sein Blick auf das Schild:

PARNASSUS
R. UND H. MIFFLIN
BÜCHERFREUNDE WILLKOMMEN!
IN DIESEM GESCHÄFT SPUKT ES

Er stolperte die drei Stufen zum Hort der Musen hinab, lockerte den Mantelkragen und sah sich um. Die Buchhandlung unterschied sich grundlegend von den Geschäften, die er gewöhnlich besuchte. Man hatte zwei Geschosse des alten Hauses zusammengelegt, der untere Raum war in Alkoven unterteilt, darüber zog sich über die ganze Breite eine Galerie, auf der sich Bücher bis zur Decke türmten. Ein angenehmer Duft nach altem Papier und Leder wurde überlagert von einem kräftigen Tabakgeruch. Der junge Mann stand jetzt vor einem großen gerahmten Plakat:

>Hier spuken die Geister der großen Literatur.
Wir verkaufen keine Fälschungen und keinen Schund.
Bücherfreunde sind willkommen.
Kein Verkäufer wird Sie belästigen.
Bitte rauchen Sie, aber verstreuen Sie keine Asche.
Stöbern Sie nach Lust und Laune.
Die Preise sind in den Büchern vermerkt.
Falls Sie Fragen haben, finden Sie den Besitzer
Dort, wo der Tabakrauch am dichtesten ist.
Bücherankauf bezahlen wir bar.
Wir haben, was Sie wollen.
Auch wenn Sie nicht wissen, was Sie wollen.
Geistige Unterernährung ist ein ernstes Leiden.
Wir haben die richtige Medizin für Sie.
R.& H. Mifflin, Bes.<

Der Laden war in ein warmes, behagliches Dunkel gehüllt, eine Art schummrige Dämmerung, aus der hie und da unter grünen Schirmen gelbe Lichtkegel leuchteten. Überall trieb Tabakrauch durch den Raum, der unter den gläsernen Lampenschirmen dampfte und verwirbelte …“







Hinweis:
Vorherige "Bücher des Monats" können Sie weiterhin in unserem Archiv einsehen.




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