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Aus der Welt der Literatur



2004-10-03
Die Lausbuben (Paul Bertololy / Horn Verlag)

Süßes Erinnern an Kindheit und Jugend, Wildheit und Ungestüm, an Streiche, stete Flucht vor der Entdeckung und Strafe, erste erschauernde Nähe der Mädchen...der Rezensent verschweigt nicht, daß es sein Lieblingsbuch aus frühen Tagen ist, das abhanden kam und erst über ein Antiquariat mit bewegtem Herzen wiedergefunden wurde...

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Textauszug:


Rasch schob ich die beiden Bretter zu und wollte die Gasse hinabrennen, obwohl ich nicht wußte, wohin sie führte und ob sie nicht gar eine Sackgasse sei, als jemand aus dem Dunkel wisperte: "Pst, pst, komm´ hier herein!", eine Gestalt neben mir auftauchte, mich leicht am Arm faßte und mit sich fortzog in eine dunkle Öffnung, die gewiß eine Kellertüre war. Ich merkte sogleich an der Stimme, der sanften Art, wie sie mich anfaßte und ihren behenden, schmiegsamen und lautlosen Bewegungen, daß es ein Mädchen sei und ließ mich nicht ohne beträchtliches Herzklopfen entführen.

"Gib acht, zwei Stufen!" flüsterte sie an meinem Ohr, daß ich den Kitzel ihres Haares verspürte, indem sie ihre warme, zierliche Hand an meinem Arm herab in die meine gleiten ließ und mich behutsam geleitete. "Stell´ dich hierher hinter die Türe! Es ist etwas enge, aber rege dich nicht und sprich nicht! Ganz ruhig! Er kommt."
Aneinandergelehnt standen wir wie eingemauert in der dicksten Finsternis, nur durch einen Türspalt sahen wir jetzt den Onkel beim Schein eines aufflammenden Zündhölzchens unsicher dahertappen. Es war mir eigenartig traumhaft zumut, ja ein Schwindel überkam mich, daß ich fast fürchtete, die Knie würden mir versagen und ich könnte zusammensinken vor Schwäche. Gerade weil alles so ungewiß, verschwommen und geheimnisvoll war, konnte ich mir vorstellen, alles, was ich bei der Eva so schauervoll und unerreichbar ersehnte, sei plötzlich Wirklichkeit geworden und gestalthaft über mich gekommen, ja, als sei es die Eva selbst, die so an mich gedrückt stehe.

"Ich habe dich schon lange beobachtet", raunte sie so leise, daß es wie ein Windhauch oder das silberne Plätschern eines Bächleins klang, "ich weiß auch, wie du heißt. Aber, gelt, du kennst mich nicht?"
"Nein", stieß ich atemlos hervor, "ich kann dich ja auch nicht sehen."
"Umso besser", kicherte sie, "dann erlebst du auch keine Enttäuschung, denn ich sehe aus wie eine Nachteule, so daß du davonlaufen würdest, wenn du mich bei Tag sähst. Sag, glaubst du das?"
"Nein, das glaube ich nicht", flüsterte ich, "denn wenn du es wärst, würdest du es nicht sagen. Außerdem spüre ich es."
Sie drückte sich an mich, daß ich ihren Busen fühlte und ihr lauer Atem flutete mir über das Gesicht wie der schwere, schwüle Duft einer betäubenden Blume. Wieder überkam mich diese tödlich süße Müdigkeit.
"So, das spürt man?" lachte sie leise, "das ist doch gar nicht möglich."
"Und doch ist es so!" stammelt ich, "an der Art, wie du redest und auch sonst, wie ich dich an mir fühle und wenn ich dir übers Gesicht fahre, dann gewiß noch mehr. Paß mal auf!"
Und all meinen Mut zusammenraffend, strich ich über ihr Haar, das ihr lang und kühl und voll erregenden Duftes über den Nacken fiel, dann über die Stirne, die bis zur Hälfte von geradegeschnittenen Haaren wie mit Fransen bedeckt war, über die Augenbrauen und, wie mir schien, eine sehr niedliche Nase bis zu dem weichen, lachend verzogenen Mund, der sich unter meiner Berührung gekitzelt noch mehr öffnete, so daß ich das Email ihrer Zähne fühlte.
"Komm mir nicht zu nahe an den Hals!" kicherte sie erstickt, "ich bin schrecklich kitzelig, und das ist gefährlich, ich müßte gerade hinauslachen. Pst! Rühr dich nicht! Er kommt wieder."....



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