Die faszinierende Welt des Wortes
Aus der Welt der Literatur
Top-Ten der Belletristik
Buch des Monats
Kontakt
Links
Kritikus
In eigener Sache
Login



Aus der Welt der Literatur



2006-07-20
Min Jehann (Klaus Groth)

Mundartlyrik vermochte selten, ein größeres Publikum für sich einzunehmen, auch Literaturinteressierte zu gewinnen, denen der gewählte Dialekt nicht vertraut ist. Einer der wenigen, dem dies gelang, war Klaus Groth. Er, 1819 geboren als Sohn eines Müllers in Heide/Dithmarschen, machte seine norddeutsche Heimatsprache weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Daß Dialekt nicht nur mit Folklore und Bauerntheater zu tun haben muß, zeigte er in seinem Gedicht „Min Jehann“, das von seiner Kindheit und dem Bruder erzählt, den er einst verlor. Das Gedicht wurde auch vertont.
Alle Poesie, zu der das Niederdeutsche fähig ist – Klaus Groth erweckte sie zum Leben. Er starb 1899 in Kiel.

----------------------------------------


Min Jehann

Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann,
Do weer de Welt so grot!
Wi seten op den Steen, Jehann,
Weest noch? bi Nawers Sot.
An Heben seil de stille Maan,
Wi segen, wa he leep,
Un snacken, wa de Himmel hoch
Un wa de Sot wul deep.

Weest noch, wa still dat weer, Jehann?
Dar röhr keen Blatt an Bom.
So is dat nu ni mehr, Jehann,
As höchstens noch in Drom.
Och ne, wenn do de Scheper sung
Alleen, int wide Feld:
Ni wahr, Jehann? dat weer en Ton!
De eenzige op de Welt.

Mitünner inne Schummerntid
Denn ward mi so to Mod.
Denn löppt mi’t langs den Rügg so hitt,
As domals bi den Sot.
Denn dreih ik mi so hasti um,
As weer ik nich alleen:
Doch allens, wat ik finn, Jehann,
Dat is – ik sta un ween.

-----------------------------------------



Hochdeutsches Glossar

Bom (Boom) = Baum
dar (daar) = da, dort
deep = tief
do = dann, damals, da
dreih = drehe
Drom (Droom) = Traum
he = er
Heben (Heben, Heven) = Himmel
Jehann = Johannes
hitt = heiß
leep = lief
löppt = läuft
Maan = Mond
Mod (Mood) = Mut
Nawer (Naver, Naber) = Nachbar
röhr = rührte (sich)
Rügg = Rücken
Scheper (Scheper) = Schäfer
Schummerntid (Schummerntied) = Dämmerung
segen (sehgen) = sahen
seil = segelte
seten (seten) = saßen
snacken = redeten, plauderten
Sot (Soot) = Brunnen
sta (stah) = stehe
sung = sang
wa (wa’, wat) = was, wie
ween = weine
weern = waren, waren
wull = wollte




<- zurück
Impressum