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Aus der Welt der Literatur



2006-08-06
Lady Chatterley (D. H. Lawrence / ISBN 3499264757 / Rowohlt Verlag)

Als D. H. Lawrence 1928 den Roman „Lady Chatterleys Lover“ herausbrachte, ging ein Sturm der Entrüstung um die literarische Welt: obszön, pornographisch, vulgär!
Insbesondere Frauenrechtlerinnen sahen in ihm ein skandalöses, indiskutables Machwerk, das dazu angetan sei, Moral und Zucht dauerhaft zu beschädigen. Liest man das Buch nun erneut und vergleicht es mit heutigen Autoren, die sich an erotischen Obsessionen versuchen und dies bevorzugt unter Einsatz der F-Wörter und weiteren Vulgärvokabulars glauben umsetzen zu müssen, dann offenbart sich die eigentliche Schönheit, die Erotik der Lawrencen’ Texte. Zu Recht zählt das Buch inzwischen zur Weltliteratur.

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Textauszug:

Und während sie in seinen Armen verging, klein und wunderbar, wurde sie unendlich begehrenswert für ihn; all seine Blutgefäße siedeten vor wallender, doch zärtlicher Begierde nach ihr, nach ihrer Sanftheit, nach der schmerzvollen Schönheit, mit der sie in seinen Armen lag und die in sein Blut überfloß. Und sanft, mit herrlicher, schwindelerregender Liebkosung, glitt seine Hand in reiner, zärtlicher Begierde über den seidigen Hang ihrer Hüften, hinab zwischen ihre weichen, warmen Schenkel, näher, immer näher dorthin, wo sie am lebendigsten war, wo ihr Leben war. Und sie spürte ihn wie eine Flamme des Begehrens, eine zärtliche doch, und sie fühlte, wie sie hinschmolz in der Flamme. Sie ließ sich davontreiben. Sie fühlte seinen Penis sich mit schweigender, wunderbarer Gewalt und Sicherheit gegen sie erheben, und sie überließ sich ihm. Sie ergab sich ihm mit einem Schauer, der wie der Tod war, öffnete sich ihm ganz. und wenn er jetzt nicht zärtlich mit ihr wäre – wie grausam; denn sie war ganz geöffnet für ihn und wehrlos.

Sie erschauerte wieder unter dem zwingenden, unerbittlichen Eindringen in ihren Leib, das so seltsam war und so schrecklich. Es mochte mit dem Stoß eines Schwertes in ihren weich geöffneten Schoß kommen, und das würde der Tod sein. In jäh aufsteigender Angst klammerte sie sich an ihn. Doch er drang mit einem seltsam ruhigen Stoß des Friedens in sie, mit dem dunklen Stoß des Friedens und einer schweren, uranfänglichen Zärtlichkeit, die zum Anbeginn die Welt erschaffen hatte. Und die Angst in ihrer Brust wich zurück; sie wagte es, sich diesem Frieden zu überlasen – sie hielt nichts zurück. Sie wagte es, alles hinzugeben, ihr ganzes Selbst, und sich von der Flut davontragen zu lassen.
Und ihr war, als sei sie wie das Meer, nichts als dunkles, steigendes und fallendes Gewoge, von einem mächtigen Strom getragen, und langsam geriet ihre ganze Dunkelheit in Bewegung, und sie war das Weltmeer, das in seiner dunklen, stummen Schwere dahinrollte. Und auf dem Grund ihres Innern teilten sich die Tiefen und wogten auseinander von dem Mittelpunkt sanften Eindringens aus, als der Taucher tiefer eindrang, immer tiefer, sie immer tiefer berührte, und tiefer, tiefer, tiefer wurde sie bloßgelegt, und machtvoller rollten die Wogen ihres Seins dahin, einem fremden Ufer zu und deckten sie auf, und näher und näher tauchte das fühlbare Unbekannte, und immer weiter wollten die Wochen ihres Seins fort von ihr, ließen sie zurück, bis jäh, in sanftem, schauerndem Erbeben, der Kern all ihres Plasmas getroffen wurde – sie sich getroffen wußte – und die Vollendung über sie kam und sie verging. Sie verging, sie war nicht mehr, sie wurde geboren: ein Weib.

Wie gut! Wie gut! Im Verebben spürte sie, wie gut es war. Ihr Leib drängte sich jetzt in zärtlicher Liebe an den unbekannten Mann, und blind hob er sich dem klein werdenden Penis entgegen, der sich zart, zerbrechlich, unschuldig zurückzog, nach den wilden Stößen seiner Kraft. Als er ihr entglitt, ihren Leib verließ, dieser geheimnisvolle, empfindsame Muskel, stieß sie, ohne es zu wissen, einen Schrei aus, einen Schrei aus Leid um den Verlust, und sie versuchte, das Verlorene zurückzuholen. Es war so herrlich gewesen! Und sie liebte es so! Und nun erst wurde sie der kleinen, knospengleichen Verschwiegenheit und Zartheit des Penis gewahr, und ein leiser Schrei brennender Verwunderung entfuhr ihr wieder, und ihr Frauenherz schrie auf über die zärtliche Zartheit dessen, was die Kraft gewesen.
„Es war so gut!“ stöhnte sie. „Es war so gut!“ Doch er sagte nichts, küßte sie nur sanft und lag still über ihr. Und sie stöhnte vor Seligkeit, als ein Opfer, als ein neugeborenes Wesen.
Und ihr Herz war jetzt wach geworden für das seltsame Wunder seines Wesens. Ein Mann! Die unerforschliche Gewalt des Männlichen über ihr! Ihre Hände irrten über seinen Körper, noch immer ein wenig erschreckt. Erschreckt von dem fremden, feindlichen, ein wenig abstoßenden Geschöpf, das er für sie gewesen war – ein Mann. Und jetzt berührte sie ihn, und es waren die Söhne Gottes mit den Töchtern der Menschen. Wie schön er sich anfühlte, wie rein im Gewebe! Wie herrlich, wie gut, wie stark und doch wie rein und zart – diese Stille des empfindenden Leibes! Diese vollkommene Stille von Kraft und zartem Fleisch! Wie schön! Wie schön! Zaghaft glitten ihre Hände seinen Rücken hinab, hin zu den sanftgeschwungenen kleinen Hügeln seines Hintern. Schönheit! Welche Schönheit! Eine jähe kleine Flamme neuen Erkennens durchzuckte sie. Wie konnte es sein, daß so viel Schönheit hier war, hier, wo sie sich zuvor so abgestoßen fühlte? Die unaussprechliche Schönheit, die in der Berührung des warmen, lebendigen Hintern lag! Das Leben im Leben, die reine, warme, kraftvolle Schönheit! Und das seltsame Gewicht der Kugeln zwischen seinen Beinen! Welch ein Mysterium! Welch seltsames, schweres Gewicht dieses Mysteriums, das weich und schwer in ihrer Hand ruhen konnte! Die Wurzel – die Wurzel all dessen, was gut und herrlich ist, die uranfängliche Wurzel aller vollen Schönheit.

Sie klammerte sich an ihn und stieß einen Laut des Staunens aus, in dem Demut und Schrecken war. Er hielt sie eng an sich gepreßt, sagte aber nichts. Er würde niemals etwas sagen. Sie drängte sich näher zu ihm hin, näher, nur um dem sinnlichen Wunder nah zu sein, das in ihm lag. Und sie spürte, wie aus seiner vollkommen unfaßbaren Stille langsam, zwingend, anschwellend sein Phallus aufstieg, die andere Macht. Und ihr Herz verging in demütiger Scheu.





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