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Aus der Welt der Literatur



2007-09-07
Das Karussell (Rainer Maria Rilke)

Wer je Kindern auf einem Karussell zusah, in die kleinen, vom Glück erhitzten Gesichter blickte, dem greift Rilkes Gedicht ans Herz, den holen die eigenen frühen Jahre ein.
Das Gedicht ist in Gänze eine wundervolle lyrische Symphonie. Und spätestens am Ende, in seinen letzten Zeilen, versendet es noch jene geheimnisvolle Botschaft, jenen kleinen, fast verborgenen Schmerz, der oft um Schönes liegt.

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Das Karussell (Rainer Maria Rilke)


Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da ganz wie im Wald,
nur daß er einen Sattel trägt und drüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand,
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber –

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin und eilt sich, daß es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet,
an dieses atemlose blinde Spiel.




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