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Aus der Welt der Literatur



2011-06-06
Verführer (Hermann Hesse / Das Lied des Lebens / Insel Taschenbuch / ISBN 3-458-34559-0)

Hermann Hesse (1877 – 1962) schrieb - neben zahlreichen Romanen, Erzählungen und Essays – annähernd 1500 Gedichte. Viele davon handeln von wehmütigem Erinnern an Kindheit und Jugend, von Verlust und Vergänglichkeit, von der Endlichkeit aller Dinge. Dabei spannt er den Bogen weit, schwankt zwischen Zagen und Hoffen, ein Wanderer zwischen banger Zuversicht und schierer Verzweiflung.
Hesses literarisches Werk weist nicht selten selbstreflektierende Züge auf, doch die Grenzen zwischen Autobiographischem und Erfundenem, zwischen Erlebtem und Erdachtem verlaufen bis zur Unkenntlichkeit, lassen – selbst bei fundierteren Kenntnissen der Umstände seines Lebens – von Fall zu Fall allenfalls ein Ahnen zu.


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Verführer (Hermann Hesse)

Gewartet habe ich vor vielen Türen,
In manches Mädchenohr mein Lied gesungen,
Viel schöne Frauen sucht ich zu verführen,
Bei der und jener ist es mir gelungen.
Und immer, wenn ein Mund sich mir ergab,
Und immer, wenn die Gier Erfüllung fand,
Sank eine selige Phantasie ins Grab,
Hielt ich nur Fleisch in der enttäuschten Hand.
Der Kuß, um den ich innigst mich bemühte,
Die Nacht, um die ich lang voll Glut geworben,
Ward endlich mein – und war gebrochene Blüte,
Der Duft war hin, das Beste war verdorben.
Von manchem Lager stand ich auf voll Leid,
Und jede Sättigung ward Überdruß;
Ich sehnte glühend fort mich vom Genuß
Nach Traum, nach Sehnsucht und nach Einsamkeit.
O Fluch, daß kein Besitz mich kann beglücken,
Daß jede Wirklichkeit den Traum vernichtet,
Den ich von ihr im Werben mir gedichtet
Und der so selig klang, so voll Entzücken!
Nach neuen Blumen zögernd greift die Hand,
Zu neuer Werbung stimm ich mein Gedicht ...
Wehr dich, du schöne Frau, straff dein Gewand!
Entzücke, quäle – doch erhör mich nicht!




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