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Aus der Welt der Literatur



2011-09-12
Das Spielzeug (Coventry Patmore / Lyrik des Abendlandes / Hanser Verlag / ISBN 3-446-13566-9)

Lyrik ist zeitlos, auch wenn es immer wieder Stimmen gibt, die in die Jahre gekommene Gedichte für überholt, ihre Sprache für nicht mehr aktuell, ihr Versmaß und ihren Zeilenlauf für hoffnungslos veraltet betrachten.
Coventry Patmore (1823 – 1896), ein britischer Lyriker, errang zu seiner Zeit und auch nach seinem Tod wohl kein allzu großes Aufsehen in der Literaturwelt. Dennoch schrieb er Gedichte wie das folgende, das, vor allem in seiner Anfangsphase, auf besondere Weise berührt und anrührt. Es entstand vor mehr als einem Jahrhundert, und vielleicht schreibt ein heute noch nicht geborener Poet in hundert Jahren ein Gedicht ähnlichen Inhalts, dann in jener Sprache, die zu dieser Zeit die Menschen erreichen und einnehmen wird.


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Das Spielzeug (Coventry Patmore)

Mein kleiner Sohn, der ernst und denkend blickt
Und sich in Wort und stillem Tun wie ein Erwachsner schickt,
Als er zum siebten Male mein Gebot
Verletzt, da schlug ich ihn und wies
Ihn rauh hinweg, der ungeküßt mich ließ,
- Die Mutter, die geduldige, war lang schon tot.
Dann später, fürchtend, daß sein Kummer
Den Schlaf ihm hindre, ging ich noch
Zu seinem Bett und fand jedoch
Ihn tief im Schlummer,
Mit dunklen Lidern und die Wimpern leicht
Von seinem letzten Schluchzen feucht.
Wie mich der Jammer niederbückt,
Küß ich ihm seine Tränen fort
Und ließ an ihrer Statt die meinen bittern dort;
Denn dicht an seinen Kopf gerückt,
Auf einem Tisch, zum Greifen nah,
Lag seine Habe ausgestellt:
Spielmarken in der Schachtel standen da,
Ein Stein von vielen Adern rot erhellt,
Vom Meersand glattgerieben
Ein Stückchen Glas, sechs Muscheln oder sieben.
Ein Glockenblumenstrauß in einem Krug,
Zwei Kupfermünzen, die man rund durchschlug,
Und sorglich kunstvoll alles aufgereiht
zur Tröstung seiner Traurigkeit.
So daß ich betend diese Nacht
Gott meine Tränen dargebracht:
Ach, wenn wir einst mit letzten Atemzügen
Im Tod dich nimmer kränkend liegen,
Und du gedenkst, an welchem Tand
Hier unser Herz sich Freude fand,
Wie wir der Güte deiner Macht
So schwach und selten nur gedacht,
Dann lasse väterlich nicht minder
Als ich, den du aus Lehm geformt, dein Zürnen sich
Besänftigen und sprich:
Es dauert mich der armen Kinder.




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