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Aus der Welt der Literatur



2003-07-05
Unter Dampf gesetzt....Über die finnische Sauna (Siegfried Lenz; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg)

Sieben Erzählungen, die vielen nicht bekannt sind und 2002 anläßlich des "Welttags des Buches" veröffentlicht wurden.

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Textauszug:

Ein höflicher Richter war mein Gastgeber, ein breitwangiger, untersetzter Mann um die Fünfzig, glatthäutig, sehr glatthäutig; liebevoll nahm er sich meiner an, lud mich ein in sein Landhaus, er versprach, mich in das Zeremoniell der Sauna einzuführen, mir die Augen zu öffnen für ihre vielfältige Wohltat.

Als wir dann draußen waren, draußen an einem verfilzten Wald, vor einem flachen, schilfgesäumten See, wo das Landhaus lag, suchte ich sofort nach dem Ort der vollkommenen Erquickung. Ich konnte ihn nicht entdecken. Ich fragte meinen Gastgeber, und er deutete auf ein kleines, braugetünchtes Holzhaus und sagte: "Das ist die Sauna." - "Das", fragte ich, "das", sagt er höflich und mit versonnenem Blick. Das Holzhaus stand unmittelbar am See, von fettglänzenden Erlen umgeben; harmlos sah es aus, wie ein schmucker Schuppen, eine gepflegte Bude, und es war so klein, daß ich unvillkürlich überlegte, wie die strohblonden Töchter Suomis, die mich salben, verständig massieren sollten, darin Platz finden könnten. Mein Gastgeber hatte zur Saunazeremonie nocht einige Freunde mitgebracht, ein Kapitän war darunter, ein Direktor, auch zwei stumme, wohlerzogene Söhne hatte er mitgebracht - auf seine Großmutter mußte er schweren Herzens verzichten, da sie verreist war, sonst wäre auch sie dabeigewesen. Höflich lächelten wir uns zu, rauchten Zigaretten und blickten auf die Stätte vollkommener Erquickung: Rauch stieg aus der braungetünchten Bude auf, giftgelber Qualm, der kräuselnd durch die Erlen strich; das einzige Fenster war blind. Es war kalt. Ein kalter Wind kam auf. Ich begann zu frieren. Mein Gastgeber kam zu mir und sagte: "Wir haben eine Redensart in Finnland, wir sagen: 'Wenn die Saune nicht mehr hilft, das Schröpfen und der Schnaps, dann kann man sterben, ohne sich Vorwürfe machen zu müssen, eine Thearpie versäumt zu haben.' Wenn die Sauna nicht mehr hilft, hilft nichts mehr." - "Ich werde es mir gut merken", sagte ich und blickte gespannt auf die schmucke Bude, die soviel Wohltat bereithalten sollte - und nicht nur Wohltat, sondern nebenbei wohl auch das belebendste Elixier der Welt. Wir schnippten nacheinander die Kippen fort, höfliche Blicke trafen mich, Blicke der Aufforderung. Ich sah auf meine Uhr: Es war neun Uhr abends. Um mich herum wurden die Hemden abgestreift, rutschten Hosen zu Boden, die Hose des Kapitäns, die Hose des Direktors und die Hose meines Gastgebers; lächelnd standen die Herren da, in eindrucksvoller Kreatürlichkeit. "Es ist soweit", sagte mein Gastgeber leise, "der Augenblick ist da." .......Ich hatte den Vortritt: Eine höfliche Hand öffnete die Tür, drückte mich mit sanftem Zwang hinein, und ich dachte - konnte ich überhaupt noch denken, nein reagieren, panisch reagieren? -, das war das einzige, wozu ich noch fähig war: fliehen, raus hier, nur fliehen, das wollte ich. Als ob sie mir einen glühenden Pfahl in die Luftröhre gestoßen hätten, so fühlte ich mich nach dem Eintritt in ihr Heiligtum: Eine heiße, trockene, würgende Luft fiel mich an - zugegeben , sir war auch würzig -, und vor dem Auge wurde es schwarz.
Was hatten sie mit mir vor? Ich sah, soweit es noch möglich war, flehend in ihe Gesichter, hilfesuchend, ich hielt nach einer Lücke zwischen ihnen Ausschau, aber zwischen ihnen war keine Lücke, und alle Gesichter lächelten mir höflich zu.......



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